Nach dem Ende des 2. Weltkrieges wurde die Kasernenanlage durch die britische Besatzungsarmee genutzt. Eine Ausnahme bildete hierbei Block 32, der, vermutlich durch seine Lage am Rand des Areals, zur Unterbringung von Flüchtlingen und Vertriebenen genutzt wurde. Der Block wurde baulich durch einen Zaun vom restlichen Gelände abgetrennt. Ca. 250 Menschen wohnten dort in den Jahren 1946 bis 1950. Ob dies bereits ab 1945 geschah, ist nicht belegt. Belegt dagegen ist beispielsweise, dass ein Massenlager für 136 dänische Flüchtlinge im Jahre 1946 auf dem Dachboden des Blocks eingerichtet wurde, da vorübergehend kein weiterer Wohnraum in Privatwohnungen freigemacht werden konnte. Hinzuweisen ist an dieser Stelle auf die insgesamt sehr schwierige Situation zur Unterbringung von Flüchtlingen und Vertrieben in der Stadt, dessen detaillierte Betrachtung an dieser Stelle den Rahmen jedoch sprengen würde.
Im Niedersächsischen Staatsarchiv sind diverse Schriftstücke zur weiteren Planung der Kasernennutzung ab dem Jahr 1948 zu finden. Am 9. Februar des Jahres bat Oberbürgermeister von der Heyde in einem Schreiben an den Oberfinanzpräsidenten in Hannover um die Freigabe der Kasernen. Die Information, dass die Kasernen an der Wildeshauser Straße zur Freigabe kommen sollten, hatte er aus einem Gespräch mit Vertretern des hiesigen Finanzamtes erhalten. Die Stadt hatte die Absicht, im Freigabefall als Generalpächter des gesamten Areals aufzutreten. Durch einen Erwerb des Geländes sollten Probleme in den drei folgenden Bereichen reduziert werden:
Das Schreiben endete mit einem Kaufantrag seitens der Stadt, falls ein Verkauf der Kasernenanlage geplant sei. Die Stadt hätte eine "Anwartschaft", da sie beim Bau der Kasernen die notwendige Infrastruktur wie Straßen und Ver- und Entsorgungsleitungen bereitgestellt hätte, eine Erstattung dieser Kosten aber nie erfolgt sei.
Manifestiert wurden die Absichten durch eine Entschließung des Rates der Stadt Delmenhorst vom 27. Februar, in der die Freigabe der teilweise leerstehenden Kasernenblocks, auch des ehemaligen Fliegerhorstes in Adelheide, erbeten wurde, um dort Flüchtlinge und Kriegsentlassene unterzubringen. Die Einleitung dieser Entschließung, eine Beschreibung der aktuellen Flüchtlingssituation in der Stadt, belegt, wie schwierig sich die Unterbringung von Flüchtlingen, Vertriebenen und entlassenen Kriegsgefangenen gestaltete: Demnach seien noch 784 Flüchtlinge unter primitivsten Verhältnissen in Gemeinschaftslagern und ca. 1.500 weitere Flüchtlinge unter gleichen Verhältnissen in Notunterkünften untergebracht. Zudem habe die Stadt in den vergangenen drei Monaten 137 Flüchtlinge aufnehmen müssen, hinzu kämen regelmäßig weitere Flüchtlinge im Rahmen der Familienzusammenführung und ferner durchschnittlich 25-35 entlassene Kriegsgefangene pro Woche.
Die Stadtverwaltung setzte offenbar sehr konkrete Hoffnungen in eine baldige Nutzung des Geländes. Aus diesem Grund wurden detaillierte Nutzungsvorschläge für die einzelnen Gebäude erarbeitet, wie ein Dokument vom März des Jahres belegt. In der nachfolgenden Skizze sind diese Nutzungsvorschläge dargestellt:
Neben Wohnen und Gewerbe sahen die Planungen vor, auf dem Gelände zwei Schulen einzurichten: Eine Volksschule in Gebäude 40 mit angeschlossenem Lehrerwohnheim im Gebäude der Standortverwaltung nebenan (Geb. 39) sowie eine weitere Schule in den Gebäuden 16 und 16a. Block 32 sollte weiterhin als Krankenhaus genutzt werden.
In der Folgezeit gab es zahlreiche Anfragen von Gewerbebetrieben aus der Stadt, die in der Kaserne Gebäude für ihre Zwecke anmieten wollten. Zum Teil waren diese Anfragen sehr konkret und es wurde gezielt nach einzelnen Gebäuden gefragt. Als Beispiel für eine solche Anfrage dient die der Firma Thies & Saatzen vom 15. März 1948. Bei dem Unternehmen handelte es sich um eine Herrenbekleidungsfabrik, deren Sitz von 1919 bis 1945 im pommerschen Stettin war. Es wurde ab dem 02.12.1946 im Delmenhorster Handelsregister geführt. Demnach war die Fabrik auf mehrere Standorte in der Stadt verteilt, was Nachteile für den Produktionsprozess bedeutete. Die Produktionsstätte befand sich an der Stedinger Straße 20. Hierbei handelte es sich um den Saal des ehemaligen Wollekrankenhauses. Das Büro der Firma befand sich an der Stedinger Straße 93, Lagerräume hatte das Unternehmen bei der Firma Helms an der Ludwig-Kaufmann-Straße. Die Firma fragte nach 500-600m² Fläche in der Kaserne an.
Auf Basis dieser und weiterer Anfragen wurde von der Stadtverwaltung die folgende Übersicht erstellt, in der die Unternehmen, deren Branche sowie die benötigten Flächen oder Gebäude aufgelistet sind. Die Liste enthält mit 50 Unternehmen deutlich mehr Betriebe als die zuvor erwähnten 39 aus der Anfrage vom 9. Februar. Außerdem sind auch auswärtige Unternehmen verzeichnet, die Interesse bekundet hatten, ihren Firmensitz nach Delmenhorst zu verlagern.
Lfd. Nr. |
Name | Branche | Anschrift | benötigte qm |
---|---|---|---|---|
1 | Energieversorgung Weser-Ems A.G. | Delmenhorst, Fischstr. 35 | Transformatoren-Stationsgebäude | |
2 | Ludwig & Co.A.G. | Herstellung von Matratzen, Polstermöbeln | Oldenburg i.O., Nadorsterstr. 50 | ca. 1000 qm |
3 | Ev.luth. Kirchengemeinde | Delmenhorst | einen Kasernenblock | |
4 | Getraus Kerstädt | Drogerie | Kopendorf, Fehmarn/Holst. | |
5 | Karl Werner | Autoreparatur-Werkstatt | Delmenhorst, Scheunebergstraße 14 | 100-130 qm |
6 | Glutine Dr. Fritz Überle | Leimfabrik | Oberstdorf i. Allgäu, Lorettostr. 40 | 2000-3000 qm |
7 | Max Düsterhöft | Lebensmittelgeschäft | Delmenhorst, Düsternortstrasse 28 | 60 qm |
8 | Nautische Werkstätten G.m.b.H. | nautische und geodätische Instrumente | Lütjenburg/ Ostholstein, Markt 22 | ca. 1000 qm |
9 | Paul Nachtigal | Nährmittelfabrik | Delmenhorst | 500 qm |
10 | Erich Sengstock | Landmaschinen | Oberwiehl, Bez. Köln | |
11 | E. Wendler & Co. | Metallwarenfabrik | Breitenbach b/ Johanngeorgenstadt i/Sa. | 1000 qm |
12 | Dr. Paul-Felix Dohmen | Essigfabrikation | Moers(Ndrh.), Krefelderstr. 22 | |
13 | R. Mainzer | Isoliermittel-Fabrik | Hamburg 1, Burchardstr. 22 | 800 qm |
14 | Ebersdorfer Holz-u. Metallwarenfabrik G.m.b.H. | Kleinmöbel | Eberdorf-Th. dafür Ad. Thiel, Bremen, Osterdeich 172 | 2/3000 qm |
15 | Thüringer Glaswarenindustrie Paul Jahn, K.G. | Glaswaren | durch Franz Beuse, Hannover, Hauptpostamt/ Postlagernd | 80/120 qm |
16 | Adolf Radzuhn & Co. f. Gebr. Heller | Werkzeugfabrikation | Bremen, Kronprinzenstrasse 8a | 100/200 qm |
17 | Alexander Reutlinger | Glas, Porzellan u. Wirtschaftsartikel | Delmenhorst, Lincrustastr. 5 | 300/400 qm |
18 | K. Schmiedeberg | Tabakverarbeitungsbetrieb | Delmenhorst, Berlinerweg 10 | 60/80 qm |
19 | Wilh. Reidert | Herstellung von Trockenbatterien | Rottenbach/Thü. | 400/500 qm |
20 | Fritz Bretzke | Lagerraum u. Garage | Delmenhorst, Stedingerstraße 20 | 300/500 qm |
21 | Heinz Wranek Makler | Uelzen (Hann.), Loosekamp | ||
22 | Herbert Seybold-Spallek | Getränkeherstellung | Delmenhorst, Bismarckstr. 75 | Kantinenküche |
23 | Heinrich Büsselmann | Besenfabrikation | Delmenhorst, Nutzhornerstr. 113 | 111/150 qm |
24 | Karl Pfeiffer | Schlosserei | daf. Bernh. Menkens, Delmenhorst, Langestr. 92 | |
25 | Karl Sehlke | Baustoffe | daf. Bernh. Menkens, Delmenhorst, Langestr. 92 | 200 qm (400-500 qm Lagerplatz) |
26 | Willi Leuckert, Berlin | Filmausstattungen | daf. Bernh. Menkens, Delmenhorst, Langestr. 92 | ca. 500 qm |
27 | Fritz Diedrich Schlömer | Lacke und Farben | daf. Bernh. Menkens, Delmenhorst, Langestr. 92 | 400 qm |
28 | H. Wolter | Drucksachenvertrieb | Delmenhorst, Oldenburgerstr. 179 | |
29 | Ferral-Guß G.m.b.H. | Gießerei | Delmenhorst, Oldenburgerstr. | |
30 | Franz Rosenberger jr. | Spinnerei und Färberei | Reichenbach/ Eulengebirge | 3800 qm |
31 | Georg Lokotsch | Abbruchgeschäft | Delmenhorst, Adelheiderstr. 165 | |
32 | Samen-Phönix | Samenfachhandlung | Delmenhorst, Schlüsselstr. 3a | |
33 | Otto M. Berggruen | Industrie- und Baubedarf | Delmenhorst, Wildeshauserstr. 26 | 50-60 qm |
34 | Emil Kirst | Backofen- u. Bäckereimaschinen-Fabrik | Delmenhorst, Langestr. 78 | |
35 | Nortopress G.m.b.H. | Kacheln und Kachelöfen | Delmenhorst, Delmegarten 8 | 1500 qm |
36 | Max Bliwernitz | Baustoffe | Delmenhorst, Bahnhofstr. 38 | ca. 150 qm u. ca. 1500 qm Lagerpl. |
37 | Johannes Rudy | Karosserie-Klempnerei | Delmenhorst, Lessingstr. 29 | |
38 | W. Apel | Chem.-pharm. Glasfabrik | daf. Handelsvertreter Joh. Schriefer, Bremen-Horn, Tel. 46 207 | ca. 500 qm bedachten Arbeitsraum |
39 | Borgmann & Koppelmann | Textilien | Lohne (Oldb.) | |
40 | Borgmann & Koppelmann für Herrn Schoeler | Chemische Fabrik | Lohne (Oldb.) | |
41 | Günther Paetsch | Textilien | Heiligenstadt (Eichsf.), daf. P. Schrader Ing., Delmenhorst, Parkstr. 4 | ca. 200 qm |
42 | Thies & Saatzen | Herrenkleiderfabrik | Delmenhorst, Stedingerstr. 93 | 500-600 mq |
43 | Arthur Crone | Bauausführungen | Delmenhorst/ Dwoberg | ca. 2000 qm u. ca. 1500 qm Lagerplatz |
44 | C.H. Rolf Wache | Lebensmittel-Import u. Großhandlung | Hude i. Oldenburg | ca. 1000-2000 qm |
45 | Erich Zörner | Zoma-Maschinenbau | z.Zt. Bremen, Hotel Grieme, An der Weide 18 | 100 qm |
46 | Dr. Strube & Co | Animalinwerke | (13b) Ingolstadt/Donau, Brückenkopf | Werk Christoffer |
47 | Klaus Bredehöft | Lebensmittelgeschäft | Delmenhorst, Oldenburgerstr. 123 | |
48 | Herbert Klimsa | Lebensmittelgroßhandlung | Delmenhorst, Moltkestrasse 29 | ca. 200-200 qm |
49 | Ernst Richter Mineralölvertrieb | Mineralölvertrieb | Hamburg 11, Hohe Brücke "Haus der Seefahrt" | ca. 300 qm |
50 | Heinrich Holscher | Betonbauten | Delmenhorst-Adelheide, Adelheiderstr. 130 | 200-300 qm Arbeitsraum, 3000 qm Lagerplatz |
Mitte des Jahres 1948 kam es jedoch anders: In einer Besprechung am 7. August in Oldenburg zwischen dem Präsidenten den Niedersächsischen Verwaltungsbezirks Oldenburg und einem Vertreter der Militärregierung wurde dem Präsidenten mitgeteilt, dass die Kaserne "in absehbarer Zeit nicht für deutsche Zwecke freigegeben werden könnte". Einen Tag zuvor hatte die Militärregierung beschlossen, in der Kaserne ein Auswandererlager für sog. "displaced persons" einzurichten. Nach dessen Einrichtung trug dieses die Bezeichnung "73/100 DPACS" (vgl. Foto am Seitenanfang). Vereinzelt wurde auch vom Auswandererlager Vancouver gesprochen. Die Displaced Persons kamen aus Osnabrück sowie dem Barackenlager der Weser-Flug in der Wesermarsch (ca. 800-900 Personen). Bei den dort untergebrachten Personen handelte es sich vornehmlich um Polen.
Etwas mehr Klarheit zur damaligen Belegungssituation ist einem Protokoll der 9. Sitzung des Regional Standing Accomodation Committees vom 17. August 1948 in Hannover zu entnehmen. Demnach sollten die Gebäude 20 bis 42 ohne die beiden Blöcke 26 und 32 für das DP-Lager herangezogen werden. Die Blöcke 1 bis 15, Block 26 sowie das Fußballfeld sollten "der Armee verbleiben". Die Blöcke 16, 16a, 17, 18 und 19 sollten für die Unterbringung der Angehörigen des CMLO-Personals (militärischer Verbindungsoffizier) der 312. Transport Compagnie verfügbar gemacht werden.
Ein Indiz dafür, dass dennoch einzelne Gebäude auf dem Gelände zu gewerblichen Zwecken genutzt wurden, ist ein Schriftstück vom Oktober 1949 des Finanzamts Delmenhorst an den Niedersächsischen Verwaltungsbezirks-Präsidenten. Anlass dieses Schreibens war die geplante Vermietung des Pferdestalls (vermutlich Gebäude 34) sowie der Beschlagsschmiede (Gebäude 37). Gebäude 28 (Rauhfutterscheune II) wurde zur Einlagerung von Getreide an eine Bremer Firma vermietet. Zuvor erwähntes Schreiben gibt außerdem einen guten Einblick in den damaligen Zustand der Gebäude, um den es scheinbar nicht immer zum Besten bestellt war. Demnach fehlte im Pferdestall ein Großteil des Dachstuhls, der komplette Fußboden war entfernt, sämtliche Erkerfenster und Luken waren ausgebaut, ebenso sämtliche Holzteile und Stalltüren im Erdgeschoss, die Trennwände zwischen den Pferdeboxen waren abgebrochen, elektrische Kabel und Schalter im ganzen Gebäude herausgerissen. Das Dach jedoch war, bis aus kleinere notwendige Reparaturen, in Ordnung. Noch schlimmer hatte es scheinbar die Beschlagsschmiede getroffen, von welcher nur noch die Grundmauern und das Dach vorhanden waren. Fenster, Türen und Fußboden waren herausgerissen.
Im Oktober 1950 rückte das Kasernengelände erneut in den Fokus der britischen Besatzungstruppen. Diese beabsichtigten, dort Flak-Einheiten unterzubringen. Dazu musste das Gelände bis zum 1. Dezember 1950 geräumt werden. Dies stellte die deutschen Behörden erneut vor große Probleme. Zunächst musste das zwei Jahre zuvor eingerichtete DP-Lager aufgelöst werden. Zum damaligen Zeitpunkt befanden sich mehrere tausend Personen in dem Lager. Die Umquartierung sollte mit Hilfe der Militärregierung und der International Refugee Organization (IRO) durchgeführt werden, als Ausweichlager waren solche in Aurich und Sengwarden vorgesehen. Des Weiteren mussten die Bewohner des Blocks 32 umquartiert werden. Zum damaligen Zeitpunkt lebten dort mehr als 250 Personen - Flüchtlinge und Vertriebene sowie Bedienstete des Krankenhauses. Dieser Block wurde am 15. Dezember 1950 geräumt.
So kam im Februar 1951 das 30th Heavy Anti-Aircraft Regiment Royal Artillery in die Kaserne, die fortan für die Dauer der britischen Einquartierung den Namen "Vancouver Barracks" tragen sollte. Am 23. Februar 1951 wurde Delmenhorst vorläufiges Hauptquartier der 5. Armeegruppe Royal Artillery, am 3. März folgte mit dem 77th Heavy Anti-Aircraft Regiment Royal Artillery ein zweites Flakregiment.
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