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Das Barackenlager in Düsternort

Im Oktober 1935 wurde Delmenhorst ganz offiziell durch den Einzug der ersten Teile des Infanterieregiments 65 Garnisonsstadt. Eher unspektakulär und ohne großes Aufsehen vollzog sich 1934/1935 der Bau eines Barackenlagers am damaligen Stadtrand im heutigen Ortsteil Moorkamp. Begrenzt durch die Moorkampstraße im Westen, die Gärten der 1933/1934 neuerrichteten Siedlungshäuser an der Försterstraße im Osten sowie den Brendelweg im Süden enstanden dort eine Reihe von Holzbaracken zur Unterbringung des Ergänzungsbataillons 58. Die nachfolgende Abbildung zeigt eine Übersicht des Lagers zu Kriegsbeginn.

Geländeübersicht

1934/35 existierte die A28 (vormals B75) noch nicht. Die Overbergstraße mündete etwa in Höhe des Autobahndamms in die Bürgermeister-Koch-Straße, die damals bis zum Hasporter Damm durchging und in etwa den Verlauf des heutigen Autobahndamms hatte. Die Overbergstraße wurde einfach in das Lager integriert, am nördlichen Lagerende wurden Baracken auf dem ehemaligen Straßenverlauf gebaut.

Das Lager

Mitten durch das Lager verlief die bereits erwähnte Overbergstraße, rechts und links davon standen Holzbaracken. Eines der nachfolgenden Fotos zeigt den Eingangsbereich des Lagers am Brendelweg, das Tor befand sich kurz hinter der heutigen Overbergschule (Gebäudenummer 1 auf dem Plan). Links hinter dem Tor befand sich eine kleine Wachbaracke (28). Östlich des Schulgebäudes, eingegrenzt durch Brendelweg und Overbergstraße, befand sich ein kleiner Bereich, bestehend aus Mannschaftsunterkünften (4-6), Baracken für Arbeitsgeräte der Standortverwaltung (2+3) sowie der Waffenmeisterei (7). Rechts der Overbergstraße war zwischen zwei quer zur Straße stehenden Baracken (10 und 13) der Exerzierplatz angelegt. Zumindest Baracke 10 diente als Offiziers- und Unteroffiziersunterkunft. Entlang der Häusergärten der Försterstraße befanden sich weitere Unterkunftsbaracken (8-16).
Links der Straße folgte direkt hinter der Wachbaracke die Küchenbaracke (26), die im hinteren Teil die Kantine für die Offiziere und Unteroffiziere beherbergte. Die Mannschaftsdienstgrade wurden in ihren Unterkünften verpflegt. Vorräte wurden in einer dahinterligenden Lagerbaracke aufbewahrt (27). Diese Baracke wurde später durch eine Sprengbombe vernichtet. Parallel zur Moorkampstraße standen größere Baracken in Hallengröße zur Unterbringung von Kfz und Pferden (21-23), eine Halle diente als Exerzierhalle (23). Gesäumt war die Straße von Wallnußbäumen, im Bereich der KfZ-Hallen wurden ebenfalls Bäume gepflanzt. Hintergrund war, daß die Bäume Ungeziefer vertreiben und dies für die dort untergebrachten Pferde von Vorteil war. Im Höhe von Halle 23 befand sich auf der Freifläche ein schweres Fliegerabwehr-MG (siehe nachfolgende Fotos).
Wie auch bei der Caspari-Kaserne wurde ein heute nicht mehr existentes Bauernhaus an der Moorkampstraße in das Gelände integriert (vermutlich Geb. 20), der Besitzer zwangsenteignet. Die Existenz von Gebäude 19 ist derzeit nicht gesichert.

Impressionen aus dem Lagerleben

Eingangsbereich mit Wache
Eingangsbereich mit Wache
Wachbaracke
Wachbaracke
Wachhäuschen mit Wachsoldat
Wachhäuschen mit Wachsoldat
Unterkunftsbaracken mit Exzerzierplatz
Unterkunfts­baracken mit Exzerzierplatz
Baracken im vorderen Lagerbereich
Baracken im vorderen Lagerbereich
Antreten vor den Hallen im Technischen Bereich
Antreten vor den Hallen im Technischen Bereich
Fla-MG auf dem Gelände
Fla-MG auf dem Gelände
Baracke der MG-Kompanie des Ergänzungsbataillons IR 65
Baracke der MG-Kompanie des Ergänzungs­bataillons IR 65
Abmarsch zur Wache nach Schlutter
Abmarsch zur Wache nach Schlutter
Antreten vor den Baracken
Antreten vor den Baracken
Offiziere des Bataillons
Offiziere des Bataillons

Die Schule

Wie bereits in der Historie der Caspari-Kaserne erwähnt, mußte die damalige Südschule aufgrund vertraglicher Vereinbarungen von 1934 unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden. Nach anfänglicher Nutzung als Verwaltungsgebäude wurde sie während des Krieges als Lazarett genutzt. Bekannt ist auch, daß während des Krieges im Erdgeschoß französische Kriegsgefangene untergebracht waren, die zur Arbeit auf umliegenden Bauernhöfen eingesetzt wurden. Dazu wurden die Fenster des Geschosses vergittert.

Der Einzug

Offiziell wurde das Ergänzungsbataillon 58 am 4. Januar 1935 in das Lager verlegt. Dabei handelte es sich wahrscheinlich um Stab und Stammpersonal. Die Aufgabe der Ergänzungsbataillone zu der Zeit bestand darin, die sog. "weißen Jahrgänge" - Männer im Alter von 25 bis 35 Jahren ohne militärische Ausbildung - für eine Dauer von ca. 8 Wochen militärisch auszubilden.
Im März 1935 wurde die Wehrpflicht im Deutschen Reich wieder eingeführt. Die ersten Soldaten kamen laut Zeugenaussagen im Frühjahr 1935 in das Lager, zu Fuß über Düsternortstraße und Brendelweg. Entlang der Straßen beobachteten zahlreiche Kinder den Menschenzug. Verwunderung herrschte über die Persilkartons, die jeder von ihnen bei sich hatte. Der Grund hierfür: In die leeren Kartons packten sie ihre Zivilkleidung, die sie dann nach Hause schicken mußten.

Die Umgebung

In vielen Teilen des Stadtgebietes erfolgte die Errichtung von Wehrmachtswohnungen. Dies galt auch für das Barackenlager, wenngleich auch nur ein Gebäude mit Offizierswohnungen errichtet wurde. Dies steht nach wie vor an der Ecke Brendelweg/Moorkampstraße.
Auf der gegenüberliegenden Seite des Brendelwegs befand sich bis zu seinem Abriß vor einigen Jahren das "Tapa". Der Name stand für Tanzpalast und war seinerzeit ein beliebtes Ausgehziel, auch für Soldaten des Barackenlagers.
Direkt neben dem "Tapa", auf dem Gelände des heutigen Sportplatzes, sind noch kleinere Bunker vorhanden. Diese gehörten vermutlich zu dem im Krieg dort stationierten Flakscheinwerfer.

Belegung

Die komplette Belegung des Lagers läßt sich nicht eindeutig klären. Fest steht, daß nach Errichtung des Lagers das Ergänzungsbataillon 58 in das Lager einzog, verbunden mit der gleichzeitigen Aufstellung der Einheit. Die Aufstellung erfolgte unter der Verantwortung von Oberstleutnant Herrlein, Kommandeur des in Bremen beheimateten I. Bataillon vom Infanterieregiment 16.
Im April 1936 erfolgte die disziplinarische Unterstellung des Bataillons unter das in der Caspari-Kaserne beheimatete Infanterieregiment 65, im Oktober des Jahres erfolgte dann die Umbenennung in Ergänzungsbataillon Infanterieregiment 65. So weisen Postkarten aus den Jahren 1937/38 die 15. und 17. Ergänzungskompanie (MG) IR 65 aus. Mit der Mobilmachung im Sommer 1939 verließ vermutlich auch das Ergänzungsbataillon das Lager.
Für die Kriegszeit ist belegt, dass sowohl Heeres- als auch Luftwaffeneinheiten im Lager stationiert waren: Zunächst die Luftwaffen-Bau-Kompanie 42/XI, vermutlich ab Jahresbeginn 1940. Sie wurde im Juni 1940 im Zuge der Umstrukturierung der Luftwaffen-Bau-Kompanien in das Luftwaffen-Bau-Bataillon 2/XI eingegliedert. Verzeichnet ist ebenfalls das Luftwaffen-Bau-Regiment 5/XI im Oktober 1940.
Im Jahr 1942 ist die Stationierung der 2. Kompanie des Landesschützen-Bataillons 666 belegt. Für das Jahr 1944 ist die Stationierung von Nebel-Einheiten belegt. Im Sommer lag dort das Ausbildungskommando für die Nebeltruppen des Wehrkreises X, im Herbst ein Ausbildungslehrgang des Nebel-Ersatz-Regiments 1 (Bremen). Weitere Details zur Stationierungsdauer sind unbekannt.
Ebenfalls bekannt ist, daß Soldaten des Lagers für die Bewachung des Munitionsdepots in Schlutter zuständig waren. Dort fand auch die Schießausbildung auf dem Schießstand statt.

Luftkrieg

Mit Beginn der Bombenangriffe auf deutsche Städte durch die alliierte Luftwaffe wurde auch Delmenhorst vereinzelt das Ziel der Angriffe. In der Nachbarschaft des Barackenlagers wurden Vorbereitungen zur Luftabwehr getroffen. Auf dem heutigen Sportplatz am Brendelweg wurden Flakscheinwerfer aufgestellt, zur Unterbringung des Personals ca. 3-4 Baracken errichtet. An der Ecke Försterstraße/Brendelweg sowie an der Kreuzung Düsternortstraße/Marienburger Straße wurden Nebeleinheiten in Einzelbaracken stationiert, die bei Luftangriffen mit Hilfe von Nebelfässern die Gegend vernebelten.
Im weiteren Verlauf des Luftkriegs wurde das Barackenlager zum Ziel von Luftangriffen. Überliefert ist, daß im September 1942 zwei Baracken (Baracken 11+14) durch den Abwurf von Brandbomben in Flammen aufgingen. Diese wurden anschließend etwas kleiner neu errichtet. Auch in der Nachbarschaft waren Schäden zu verzeichnen. Eine Brandbombe durchschlug Dach, Decke und den Küchentisch eines Wohnhauses an der Försterstraße, konnte ihre Brandwirkung jedoch durch schnelles Bedecken mit Sand nicht entfalten. Ein Schuppen im Garten hatte weniger Glück und brannte komplett ab.
Später wurde Baracke 27 (Lagerbaracke für die Küche) im Eingangsbereich durch eine Sprengbombe vollständig zerstört. Bei diesem Angriff detonierten weitere Bomben auf einem Feld nahe der heutigen Elbinger Straße und auf der Kreuzung Bismarckstraße/Cramerstraße. Die Folge war, daß einige südliche Stadtgebiete tagelang ohne Telefonverbindung und Wasserversorgung waren.

Die letzten Tage

Delmenhorst wurde am 20. April 1945 von britischen Einheiten kampflos erorbert. Bereits einen Tag zuvor erfolgte die Räumung des Geländes durch deutsche Truppen. Noch am 20. April erfolgte der Beschuß des Gebiets durch Artillerie von Adelheide aus, welcher einige Schäden in der Umgebung hervorrief. In der Försterstraße wurde eine Pumpe zerstört und das Dach eines Gebäudes erhielt einen Volltreffer. Als Ersatz wurden die Dachpfannen des Bauernhauses verwendet, welches in das Lager integriert worden war.
Die Besatzungstruppen zeigten jedoch recht wenig Interesse am Lager. Schottische Soldaten erkundeten auf einem Jeep das Lager, verließen es jedoch sofort wieder. Erst eine Woche später ließen sich wieder alliierte Soldaten dort sehen. In der Zwischenzeit wurde das Lager desöfteren von Anwohnern besucht. Einige Gegenstände, die von den deutschen Truppen dort hinterlassen worden waren - hauptsächlich Haushaltsgegenstände - fanden neue Besitzer. Andere Dinge weckten das Interesse von Kindern und Jugendlichen aus der Nachbarschaft, so z.B. eine Kiste mit Eierhandgranaten, die im dortigen Feuerlöschteich gezündet wurden. Durch das Zünden einer Brandbombe vor einer KfZ-Halle wurde die Tür in Brand gesetzt, diese konnte aber sofort mit Feuerlöschern gelöscht werden.

Nachkriegsnutzung

Für die folgenden sechs Monate diente das Lager schottischen Truppen als Unterkunft. Diese wurden von französischen Truppen abgelöst, die bis zum Frühjahr 1946 dort blieben und danach nach Rastatt verlegt wurden. In diesem Frühjahr 1946 wurde das Lager für die Unterbringung von Flüchtlingen, vornehmlich aus Schlesien, freigegeben.

Das Gelände heute

Heutzutage finden sich vom ehemaligen Barackenlager nur noch wenige Spuren. In den 50-er Jahren wurden die Baracken größtenteils entfernt und durch einfache Steinbauten ersetzt. Bis zum Sommer 2007 konnte man eine Baracke im Originalzustand noch an der Moorkampstraße antreffen. Ferner lassen sich anhand des Straßenverlaufs sowie einzelner gepflasterter Bereiche weitere Details erahnen, vereinzelt gibt es noch überwucherte Wegeinfassungen und Betonfundamente von Baracken.

Das Gelände bei Google-Maps
Letzte, bis 2007 erhaltene Baracke
Letzte, bis 2007 erhaltene Baracke
Schulgebäude, ehem. Lazarett
Schulgebäude, ehem. Lazarett
ehem. Eingangsbereich mit Wache
ehem. Eingangs­bereich mit Wache
erhaltene und überwachsene Einfassungen
erhaltene und über­wachsene Einfassungen
Letzte Änderung: 18.10.2015
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